Spinnen giftig und gefährlich?

Sind Spinnen
giftig und gefährlich

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Drohende Spinnen mit eindrucksvoller Warnfarbe
Eine spektakuläre blaue Vogelspinne droht dem Fotograf. Blau ist eine Warnfarbe im Tierreich.

Die Frage, ob Spinnen giftig und gefährlich sind, ist sehr einfach zu beantworten.
Zumindest die erste Hälfte der Frage. Ja, nahezu alle Spinnen sind giftig.

Spinnen giftig und gefährlich

Fast alle Spinnen besitzen Giftdrüsen, sie sind also giftig im rein biologischen Sinne. Für die Frage der Gefährlichkeit muss man aber differenzieren. So sind z. B. tödliche Folgen oder bleibende Schäden nach einem Vogelspinnenbiss nicht wissenschaftlich bekannt oder irgendwo glaubhaft dokumentiert. Legt man für die zweite Frage nur das wahrscheinliche Risiko zugrunde, kann man klar nein sagen. Aber wir wollen hier ja genauer schauen.

Sind Spinnen in Deutschland gefährlich?

Nein, in Mitteleuropa ist durch Spinnenbisse seriös betrachtet kein relevantes Risiko gegeben. Sowohl hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit gebissen zu werden, als auch in Bezug auf die Folgen eines Bisse kann man, wenn überhaupt,  nur von einer homöopathischen Risikodosis sprechen. Es gibt in Deutschland kaum Spinnen, die die Haut bei einem Biss durchdringen können und deren Gift bei uns unangenehme Symptome verursachen kann. Die in wärmeren Regionen Deutschlands lebende Dornfingerspinne (Cheiracanthium spp.) ist für einen schmerzhaften Biss bekannt – in den meisten Fällen erfolgt der Biss, wenn z. B. Kinder mit kurzer Hose durch hohe Wiesen laufen. Die Spinnenmutter will dann lediglich ihren Kokon oder ihre frisch geschlüpften Jungen verteidigen. Ein legitimes und heroisches Anliegen, sollte man meinen. Viel mehr als lokale Folgen (Schmerzen, Hautrötung oder Juckreiz, ähnlich einem Bienenstich!) sind aber selbst bei diesen Spinnen bisher kaum dokumentiert. Medizinisch ernstzunehmende Symptome oder mehrtägige Beeinträchtigungen sind also auch von ihrem Biss nicht zu erwarten.

Spinnen = Tiere des Alltags

Arachniden wie die Gartenkreuzspinne und die Hauswinkelspinne sind, wie ihr Name andeutet, im Grunde Tiere unseres Alltags. Sie sind nützlich und bereichern unsere Umwelt. Sie sind in Bezug auf Ihre Gefährlichkeit nicht anders zu betrachten als eine Stechfliege, Biene oder Wespe. Allerdings übertragen sie keine Krankheiten und allergische Reaktionen kommen auch deutlich seltener vor.

Sind Vogelspinnen im Terrarium gefährlich?

Auch aus der Haltung von Vogelspinnen im Terrarium ist in Deutschland noch keinerlei objektive und sachlich zu begründende Gefährdung für unbeteiligte Dritte entstanden. Eine aktuelle wissenschaftlich fundierte Recherche (Hauke und Herzig, 2021) hat darüber hinaus ergeben, dass ein Großteil aller Bisse während des sogenannten „Handlings“ passiert sind. Gerade dieses „Handling von Spinnen“ ist meist vollkommen unnötig und unsinnig. Die Bisswirkung war in vielen Fällen ungefähr einem Bienenstich (ohne allergische Reaktion!) vergleichbar. Teilweise war eine Giftwirkung überhaupt nicht feststellbar. Eine über lokal und moderat schmerzend hinausgehende Bisswirkung war dagegen seltener gegeben.

Vogelspinne vs Dackel

Jeder entsprechend motivierte Dackel kann eine Bisswirkung erzielen, die die der allermeisten Spinnen (auch der einer Goliath-Vogelspinne aus einem deutschen Terrarium) deutlich übertrifft. Und zwar bereits ohne eine nicht unwahrscheinliche, mögliche Sepsis nach dem Hundebiss zusätzlich zu berücksichtigen!
Wiegt man Risiken objektiv ab, stellt man schnell fest: Jedes Pferd auf der Koppel, jeder frei laufende Hund, jeder Autofahrer, der sich hinter ein Steuer setzt birgt ein weit unkalkulierbareres, weitreichenderes Risiko für Gesundheit und Leben von anderen Menschen als eine Vogelspinne.

Die Emotion, die Panik vor der Spinne…

In der emotionalen Risikobewertung mancher Leute (und in der Darstellung der Presse) erscheint die Spinne oft als Giftmonster mindestens in der Größe eines Rottweilers. Es sind aber in Wirklichkeit kleine Tiere. Selten größer als eine Maus. Tatsächlich erreichen selbst die größten Vogelspinnenarten kaum mehr als das Gewicht einer Tafel Schokolade. Für die Menschen in Kambodscha und Vietnam oder manche indigenen Völker im südamerikanischen Regenwald haben sie auch einen mit dem von Schokolade vergleichbaren Stellenwert… Ist ja auch nicht so viel anders als frittierte Scampi .

Spinnengift zur Verteidigung gegen Menschen?

Tatsächlich spielen Primaten wie Menschen in der Evolution der Giftentwicklung von Spinnen absolut keine Rolle. Spinnen sind vor allem giftig, weil es dem Beuteerwerb dient. Auch allgemein war Verteidigung eher nicht der evolutionäre Motor der Entwicklung der Giftdrüsen bei Spinnen. Die meisten Spinnen vermögen ja nicht einmal vollständig durch die menschliche Haut zu beißen. Da nützt dann das beste Gift auch nix. Wenn eine relevante Giftwirkung auf Menschen gegeben ist, was bei einige wenige Arten der Fall ist, dann ist das „shit happens“ und nicht Absicht der Evolution.

Verteidigung durch Brennhaare

Gut nachvollziehbar ist das am Beispiel der Vogelspinnen. Diese geben in vielen Fällen beim Biss nicht einmal Gift ab, weil es für sie zu kostbar ist, dies leichtfertig zu verschwenden. Gift wird von Ihnen in der Verteidigung meist erst als Ultima Ratio eingesetzt. Wenn eh alles verloren scheint. Stattdessen hat sich bei den Vogelspinnen aus Nord- und Südamerika die viel effektivere (weil für die Spinne sicherere) Verteidigung mit Brennhaaren etabliert. Der Vorteil der Brennhaare ist simpel: Diese fliegen durch die Luft und erreichen den Feind der Vogelspinne bereits vor einem Kontakt. Sie wirken unmittelbar in den Mund- und Nasenschleimhäuten und den Augen des Angreifers.
Giftbiss zur Verteidigung – ernsthaft jetzt?

Der Giftbiss als Verteidigung ist für die Spinne hochgefährlich

Ein Giftbiss ist im Vergleich zu Brennhaaren „russisches Roulette“. Weder ist sicher, dass die Spinne Haut und Haare soweit mit ihren Chelizerenklauen durchdringen kann, dass das Gift überhaupt Wirkung entfalten kann, noch ist sichergestellt, dass sie beim „Close Combat“ nicht tödlich verletzt wird. Mal ernsthaft: Wer nimmt ein Messer zur Verteidigung in der Zombi-Apokalypse, wenn er auch ein Gewehr mit Magazin hat? Sie lachen? Für die Spinne ist ein angreifender Mensch vermutlich bedrohlicher als die Zombies für unsereinen.

So schön sind Vogelspinnen!
Z. B. Megaphobema robustum aus Kolumbien setzt zu Ihrer Verteidigung Brennhaare ein.


Spinnengift für Menschen

Viel wahrscheinlicher ist es, dass Tiergifte wie z. B. das von Spinnen in der nahen Zukunft Menschen z. B. bei der Bekämpfung von Krankheiten helfen werden. Zahlreiche Forschungen und Studien zu diesem Thema weltweit bestätigen dies eindrucksvoll. Z. B. in Deutschland am Fraunhofer Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie, dem Institut für Insektenbiologie der Universität Gießen oder im Rahmen der „Animal Venomics Research Group“ wird daran geforscht.

Wenn überhaupt, welche Spinnen sind nun gefährlich giftig?

Gefahr = Situation, die eine negative Auswirkung zur Folge hat. Da es im Grunde also bereits als Gefahr zu bezeichnen ist, wenn man sich erschreckt oder mit der Nadel in den Finger piekt, wollen wir das hier eingrenzen. Bei Symptomen, die einem Bienenstich (ohne allergische Reaktionen) weitestgehend vergleichbar sind, oder nur geringfügig über lokale Beschwerden hinausgehen, gehen wir hier also auch nicht von einer relevanten Gefahr aus.

Mögliche Todesfolge nach einem Spinnenbiss?

Oder welche Spinnen können durch ihren Biss eine nachhaltige (mehrtägige) gesundheitliche Einschränkung, einen medizinisch behandlungsnotwendigen Zustand oder gar den Tod eines Menschen verursachen?
Tatsächlich kann man das nicht abschließend sagen, da von der überwiegenden Mehrheit der Spinnen keinerlei Informationen zu deren spezifischen Giftwirkung vorliegen. Das liegt natürlich auch daran, dass es eben keine Giftwirkung gibt. Aber eben nicht nur. Weltweit sind bisher fast 50.000 Spinnenarten von Arachnologen beschrieben worden. Man geht jedoch davon aus, dass bisher erst ein Drittel aller Spinnenarten entdeckt wurde. Alleine deshalb ist eine absolute Aussage unmöglich.
Bekannt für eine wirklich ernstzunehmende Giftwirkung, im Sinne oben stehender Fragestellung, sind nur einige wenige Gattungen. Tödliche Bissfolgen sind hingegen bei Spinnen die absolute Ausnahme.

Atrax spp (australische Trichternetzspinne), Phoneutria spp. (Bananenspinnen) und Latrodectus spp. (z. B. Schwarze Witwe)!

Für alle drei gilt mehreres gleichermaßen:
1. Todesfälle nach Bissen von Arten aus diesen Gattungen sind, wenn auch nur in Einzelfällen und nicht für jede Art, bekannt und wurden für mehrere Fälle glaubwürdig dokumentiert.
2. Die hier in Klammern stehenden Trivialnamen sind sehr ungenau und werden auch für Arten benutzt, die nicht diese Gefährlichkeit haben oder sogar gänzlich ungefährlich sind.
3. Sie kommen aufgrund ihrer Lebensweise regelmäßig in Situationen vor, bei denen eine Gefährdung durch Menschen entstehen kann, die nicht durch Leichtfertigkeit bedingt wurde und im Grunde als schwer vermeidbares Alltagsrisiko in bestimmten Regionen der Erde anzusehen ist.
4. Die Giftwirkung fällt überwiegend deutlich schwächer aus und es gibt seit Jahren wirksame Gegengifte. Todesfälle kommen daher nicht mehr bzw. nur noch unter den unglücklichsten Umständen vor.
5. Es gibt keine Berichte über Unfälle und damit eine tatsächliche Gefährdung, die aus der Haltung im Terraristik-Hobby oder im Rahmen der Wissenschaft resultiert, obwohl die Arten z. T. regelmäßig in Gefangenschaft gehalten werden.

Beispiel eines typischen Bissunfalls

Typische Bissunfälle mit Phoneutria sp. passieren z. B. bei der Arbeit in Bananenplantagen. (Die Abkürzung sp. steht für Spezies = Art. Innerhalb einer Gattung gibt es meist mehrere Arten.) Die Spinnen bewohnen auch die großen Blätter der Bananenstauden. Dem entsprechend ist es immer möglich, dass eine dieser Spinnen beim Durchgehen vom Blatt abgestreift wird und dann auf Kopf, Hals oder Schulter eines Arbeiters landet. Reflexartiges Wegwischen führt für das Tier zu einer Bedrohung, eventuell sogar Verletzung. Das Tier beißt nun quasi als letzten Rettungsversuch zu. Die Bissstelle liegt in dem Falle zwangsläufig nahe am Herzen und meist noch näher am Kopf.
Handelt es sich auch noch um ein Kind mit gegenüber Erwachsenen geringerer Körpermasse, kann man das schon als Worst-Case-Szenario in Sachen Spinnenbiss bezeichnen. Es zeigt aber auch, dass für eine wirklich lebensbedrohliche Gefährdung selbst durch unbestritten sehr giftige Spinnen viel zusammen kommen muss.

Wichtig zur realistischen Einordnung des tatsächlichen Risikos:
Nach Phoneutria Bissen liegt die Wahrscheinlich
keit für einen schwerwiegenden Vergiftungsverlauf laut Literatur nur bei 0.5%. Und das, obwohl es für diese Spinnengattung sehr viel Kontaktsituationen mit Menschen gibt.

Potentielle Gefährdung durch Vogelspinnen im Terrarium

Ehrlich jetzt? Die gibt es natürlich nicht. Wie auch, wenn das Tier sicher im Terrarium hinter Glas ist.
Für den Fall dass unter (weit über 90% vermeidbaren) Umständen eine Vogelspinne den Besitzer beißt (ein unbeteiligter Dritter ist tatsächlich im Rahmen der Terraristik noch nie gebissen worden), dann gibt es aber Arten, deren Gift die im Sinne unserer vorgenannten Festlegung durchaus einen Gefahr darstellt. Definitiv!
Soweit man bisher sagen kann, keine tödliche und auch keine, die massive medizinische Maßnahmen erforderlich gemacht haben. Aber die Giftwirkung kann sehr schmerzhaft sein, auch mehrere Tage anhalten und zumindest aus subjektiver Sicht des Gebissenen oder von Angehörigen medizinische Hilfe erforderlich machen. Z. B. bei den  Gattungen Heteroscodra, Poecilotheria, Pteronochilus, Stromatopelma und Cyriopagopus (syn. Haplopelma) ist eine solch stärkere Wirkung bekannt. Spinnen dieser Gattungen z. B. zu Schauzwecken oder Vorführungen auf die Hand zu nehmen, kann nur als grober Unfug, Leichtsinnigkeit und Dummheit bezeichnet werden.

Geschäftsräume von exo-pet in Burg (Dithmarschen)
Terrarien bei exo-pet  in Burg (Dithmarschen)

Zu unseren eigenen Nahtod-Erfahrungen

Der Verfasser dieser Zeilen bekam seine erste Vogelspinne 1991. Er hält seit 1996 ununterbrochen Vogelspinnen. Seit vielen Jahren züchtet er diese faszinierenden Tiere erfolgreich nach. Er ist auf verschiedenen Kontinenten in der Natur mit ihnen in Berührung gekommen, hat sie dort entdecken und beobachten können. Bei exo-pet haben wir aktuell einen Bestand zwischen 5.000 und 10.000 giftigen Tieren wie Spinnen, Vogelspinnen und Skorpionen. Wir gehen im Rahmen von Fütterung und Pflege jeden Tag mit Ihnen um. 7 Tage die Woche. Wir verpacken weit mehr als 2000 davon jedes Jahr für den Versand. Das Ganze geschieht ohne Schutzhandschuhe, aufwendige Terrarienschlösser, Panzerglas oder Narkosemittel. Von einer Spinne gebissen worden sind wir trotzdem noch nie. Wir können also nichts Spektakuläres zur Diskussion beitragen.

Normale Achtsamkeit, ein bisschen Respekt und etwas Sorgfalt vorausgesetzt, stellen Spinnen zumindest in Deutschland weder in der Natur noch im Terrarium eine Gefahr dar.

Für weitere Informationen empfehlen wir die Homepage von Dr. Tobias J. Hauke
> https://sites.google.com/view/th-sciencephotography/home <
Seit Jahren hat er sich intensiv und wissenschaftlich fundiert mit Spinnen und ihren Giften auseinandergesetzt. Gerade seine Arbeiten in Kooperation mit Dr. Volker Herzig gehören zu den aktuellsten und besten Informationsquellen, die es in diesem Themenkomplex gibt.

Unterm Strich

Wer bis hierhin gelesen hat, dem wird spätestens jetzt klar geworden sein, dass Bilbos Erfahrungen im Düsterwald nicht 1:1 auf die Realität übertragbar sind. Das Gegenteil ist eher der Fall. Spinnen sind extrem faszinierende Lebewesen. Sie haben diesen Planeten bereits zur Zeit der Dinosaurier bevölkert. Ihr Gift dient dem Beutefang und kaum der Verteidigung. Schon gar nicht dient es dem Angriff gegen Menschen, denn Spinnen greifen Menschen nicht an. Sie reagieren höchsten darauf.

Die Haltung in der Terraristik stellt nach neuesten Studien zu diesem Thema keine nachweisliche Gefährdung von unbeteiligten Dritten dar. Halter von Vogelspinnen können das Risiko, gebissen zu werden deutlich reduzieren, wenn sie die Tiere nicht anfassen. Das Problem ist nur, wenn sich rumspricht, dass Spinnen nicht gefährlich sind gibt’s im nächsten Sommerloch für die Zeitungen nix zu berichten und der Supermarkt in Georgsmarienhütte wäre nur halb so bekannt.